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Während der letzten Jahre haben viele Blinde und interessierte Mitmenschen versucht, mit verantwortlichen Mitarbeitern der Elektronikindustrie Kontakt aufzunehmen, um auf die Problematik der Bedienung von Geräten durch Sehgeschädigte aufmerksam zu machen. Hierbei wurden so manche sinnvolle Anregungen gegeben, mit welchen geringen Modifikationen der Produkte die Handhabung von Blinden und Sehbehinderten erheblich erleichtert werden kann. In vielen Fällen bedankte man sich für besagte Hinweise in der Form, dass kompetente Stellen innerhalb des jeweiligen Konzernes bezogen auf die geäußerten Hinweise informiert werden, um gegebenenfalls bei einer Folgeserie eine Abänderung der Bedienungselemente zu veranlassen. Jedoch geschah bislang nichts. Niemand erhielt ein Feedback. Ganz im Gegenteil! Bei der Bedienung der Ger�te ist man von Serie zu Serie mehr denn je auf die Augen angewiesen, und ein Blinder steht im Rahmen der Aktivierung so mancher Funktion oder dem Erhalt einer wichtigen Information regelrecht hilflos gegenüber. Warum ist dies der Fall? Eine offizielle Antwort wird man aus den Reihen großer Unternehmen nie erhalten. Jegliche Realität wird, wenn überhaupt, hinter "vorgehaltener Hand" geäußert, und ich möchte in diesem Abschnitt versuchen, das, was harte Realität ist, aber nie in einer offiziellen Presseerklärung zu finden sein wird, zum Ausdruck zu bringen.
Rechnen wir mal! Wieviele Einwohner hat die Bundesrepublik Deutschland? Es sind etwa 80 Millionen Mitbürger. Und wieviele davon kaufen sich innerhalb eines Jahres ein elektronisches Gerät? Gemeint ist ein Fernseher, ein Videorekorder, eine Stereoanlage, ein Handy. Im Prinzip ist die Art des Gerätes unwichtig, hier geht es nur um die Einordnung der Käufergruppe. Unterstellen wir, dass 20 Prozent der Bevölkerung potentielle Käufer von Artikeln der Elektronik sind. Dies entspricht 16 Millionen Menschen.
Und wieviele Bürger der Bundesrepublik sind anerkannt blind? Diese Zahl liegt bei etwa 280.000. Bilden wir davon jetzt wieder den gleichen Käuferanteil für elektronische Erzeugnisse, wobei bezogen auf diese Minderheit 20 Prozent eigentlich sehr hoch gegriffen ist, denn es gibt viele Altersblinde, die eigentlich gar keine elektronischen Geräte mehr kaufen. Aber dennoch: 20 Prozent von 280.000 ergibt einen Anteil von 56.000. Nun müssen wir die ermittelte Zahl in Höhe von 56.000 Blinden im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung betrachten. Somit ist der Anteil von 56.000 gegenüber 16.000.000 zu ermitteln. Dies entspricht 0,35 Prozent. Blinde sind somit eine Käufergruppe, die 0,35 Prozent gegenüber der Allgemeinheit darstellt!
Jeder Konzern ist gehalten, im Rahmen möglichst hoher produzierter Stückzahlen ein Mindestmaß an Entwicklungs- und Produktionskosten zu verursachen, um dabei ein hohes Maß an Gewinn zu erwirtschaften. Betriebswirtschaftliche Abteilungen oder im neuen Sprachgebrauch Controlingdepartments achten exakt auf die Erfüllung dieses Zieles. Wer innerhalb eines Unternehmens Vorschläge unterbreitet, für Blinde - also für 0,35 Prozent des Gesamtanteiles - Serienmodifikationen vorzunehmen, wird aufgrund dieser nackten Zahlenfakten ausgelacht oder eher ignoriert, denn wer sich nicht an wirtschaftliche Rahmenbedingungen hält, fällt aus dem Raster. Hierfür hat es leider in jüngster oder auch älterer Vergangenheit schon traurige Beispiele gegeben, denn einige Firmenschilder findet man nicht mehr in den Kaufregalen, wobei die damit verbundene steigende Arbeitslosigkeit kraft Firmenschließung ein noch wesentlicherer Faktor ist.
Deshalb müssen sich Blinde leider damit abfinden, gegenüber der Allgemeinheit mit ihren Kaufinteressen aus dem Raster zu fallenund sollten nicht enttäuscht sein, wenn alle in ihrem speziellen Sinne abgegebenen Verbesserungsvorschläge regelrecht unter den Tisch fallen.
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1999 Copyright by Matthias Hänel, Norderstedt
Letzte Änderung 17.7.2005